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Die Bibel ausgelegt
Kein Wort für die Satten?
Jahreslosung 2018:
Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben
von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
OFFENBARUNG 21,6 (LUTHERBIBEL 2017)
Seit ich die Jahreslosung für 2018 das erste Mal
12 | die die Bibel aktuell
gelesen habe, beschäft igt mich die Frage, wen
dieses Wort, wen dieses Angebot denn erreichen will
in unseren Tagen - hier in Österreich und Europa.
Ein Angebot bleibt über - im Überfl uss?
Wer dreht sich um nach einem solchen Angebot,
wenn die Regale gefüllt sind in einem Überangebot,
und wir uns mehr als genug leisten können? Und mit
„Gratis-Angeboten“ haben wir es auch nicht so. Wir
wissen ja, dass sie ein Köder sind und gerade nicht
ohne ökonomische Hinterabsicht gemacht werden.
Und weiter: Im Marketing haben wir gelernt, Bedürfnisse
zu wecken, von denen die Menschen bis
zu jenem Zeitpunkt nicht wussten, dass sie sie haben.
Geht es hier auch darum, etwas verkaufen zu wollen
und dafür ein Bedürfnis zu schaff en?
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr fürchte
ich, dass dieses Wort eine harte Wahrheit für uns
beinhaltet. Die größte Herausforderung für Jesus
waren nicht die Hungrigen, sondern die Satten und
Selbstzufriedenen. Seine Herausforderung waren
nicht die „Blinden“. Diese wussten um ihre Blindheit.
Das Problem waren die „Sehenden“, die in Wahrheit
„verblendet“ waren. Zu ihnen ist er nicht durchgedrungen.
Die Kranken haben ihn geliebt, aber die
Gesunden wollten nicht hören, dass sie krank sein
könnten. Die schuldig Gewordenen und die Gescheiterten
haben sich ihm geöff net, aber jene, die
sich für gerecht hielten und etabliert waren, haben
sich verschlossen.
Ist es Zufall, dass Jesus die Armen selig preist, und
die da Leid tragen, und die da hungert und dürstet
nach Gerechtigkeit (Matthäus 5,3ff ., Lukas 6,20ff )?
Haben sie ein anderes Sensorium für das Leben,
für seine tiefere Dimension? Sind sie es, die inmitten
dieser Welt des Überfl usses einen tiefgreifenden
Mangel empfi nden?
Dabei geht es selbstverständlich nicht darum, dass
nicht alle Menschen dieses „Wasser“ brauchen
würden. Aber etwas zu brauchen, und zu wissen,
„dass ich es brauche, weil es mir fehlt“, das sind „zwei
Paar Schuhe“.
Foto: Anastasia Taioglou
Foto: Hilde Matouschek