Gedenkgottesdienst der Verstorbenen im Haus der Diakonie am Ruckerlberg. Foto: Ulrike Rauch
>>
Menschen nicht zu überrumpeln, sie in ihren Geschichten
zu begleiten und dort einzusteigen, wo sich die Men-schen
öffnen, ist für Elisabeth Pilz eine wichtige ethische
Überzeugung: „Das ist ganz tief in mir, dass der Wert
eines Menschen bestehen bleibt, denn die Würde eines
Menschen ist unantastbar.“
Den begonnenen Arbeitstag setzt Elisabeth Pilz zur
Mittagszeit in ihrem Büro fort, bevor sie sich erst am
Nachmittag wieder ganz den Besuchen in den Heimen
widmet. Während die Heimbewohnerinnen und -bewoh-ner
Mittag essen, erledigt sie Schreibarbeit, vertieft ihre
ökumenischen Kontakte oder bereitet Weiterbildungen
und Gottesdienste vor.
Die Gottesdienste feiert sie in ökumenischer Zusammen-arbeit.
Sie stehen ganz unter dem Motto: „Mit allen Sin-nen“.
Dabei wird versucht, alle Sinne der Gottesdienst-feiernden
anzusprechen und so die Menschen ganz mit
einzubeziehen. Das gelingt zum Beispiel über eine kleine
Gabe am Eingang, wie Äpfel oder Birnen zu Erntedank,
einem Strohstern zu Weihnachten oder einem Palmkätz-chen
zu Ostern, aber auch durch ein kurzes Anspiel statt
einer klassischen Predigt, einer Begrüßung mit Hand-schlag
am Eingang, Orgelmusik oder duftendem Weih-rauch.
Für die Mitfeiernden ist es auch wichtig, dass ihre
Hände mit duftendem Rosenöl gesalbt werden. Für den
Gottesdienst versucht Elisabeth Pilz immer ein aufbau-endes
und ermutigendes Thema auszuwählen. Besonders
wichtig ist ihr auch, dass ganz bewusst in einer Kirche
gefeiert wird, dass es warm genug ist und dass die Lied-texte
groß genug ausgedruckt sind. Alles, damit sich die
Menschen wohl fühlen und mit allen Sinnen angespro-chen
werden können. Und so wird wunderschön gemein-sam
Gottesdienst gefeiert und anschließend bei heißem
Tee und Keksen die Gemeinschaft gepflegt. Diese und
viele andere praktische Tipps aus ihren Erfahrungen er-arbeitet
sie derzeit mit einem Team in einem Arbeitsbuch
als Anleitung, wie man selbst Gottesdienst mit allen
Sinnen feiern kann.
Obwohl die ökumenische Zusammenarbeit in der Steier-mark
gut funktioniert, beschreibt Elisabeth Pilz die Situ-ation
der Evangelischen in den Häusern immer noch als
eine ganz eigene. Das merkt sie bei ihren Besuchen dann,
wenn sich die Besuchten freuen mit: „Ah, endlich haben
sie mich gefunden“, oder vorsichtig meinen: „Reden wir
nicht so laut. Wir Evangelische werden nicht so gerne
gesehen“. Denn in der Diaspora waren in Österreich
Evangelische lange Zeit ausgegrenzt und viele fühlten
sich nur geduldet, aber nie wirklich frei. Selbst, wenn
sie einen katholischen Partner geheiratet haben und die
Kinder katholisch getauft wurden, blieb das Gefühl der
Duldung. Elisabeth Pilz nimmt wahr, dass es in dieser
06 „ALLES HAT SEINE ZEIT...“