ARMENISCH-APOSTOLISCH IN ÖSTERREICH 13
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„MEINE GANZE EXISTENZ“
Nune Orbelian ist extra unter der Woche nach St.
Hripsime gekommen, was nicht zu ihrem gewöhnlichen
Wochenablauf gehört: Gemeinsam mit anderen Jugend-lichen
hilft sie bei der Organisation einer Friedensdemo
gegen den Krieg in Bergkarabach. „Auch wenn ich in
Wien geboren bin und niemals in Armenien gelebt habe,
verbinde ich meine ganze Existenz damit“, sagt sie.
Die armenische Sprache, Kultur und Religion seien ihre
Wurzeln.
12 Jahre lang besuchte sie zusätzlich zur französischen
Schule unter der Woche die Samstagsschule der arme-nisch-
apostolischen Kirchengemeinde. Sie lernte arme-nische
Geschichte und Geografie, Ost- und Westarme-nisch;
gemeinsam sangen und tanzten sie zu armenischer
Musik. „Anfangs zwangen mich meine Eltern ein biss-chen
zur Samstagsschule, doch bald wollte ich selbst hin,
weil ich dort neue Freunde fand und wir unsere Kultur
gemeinsam erleben konnten“, erklärt sie.
Heute singt die junge Frau jeden Sonntag im Kirchen-chor.
Sie ist die zweitjüngste dort. „Wir haben zwar viele
junge Ministranten, aber es gehen nicht so viele junge
Menschen in die Kirche“, sagt sie. Nune Orbelian ist es
ein Anliegen, das zu ändern.
1,5 MILLIONEN MÄRTYRER
Als die armenische Kirche im Jahr 2015 insgesamt 1,5
Millionen armenische Opfer des Völkermordes als Märty-rer
kollektiv heiligsprach, war es auch für die armenisch-apostolische
Gemeinde in Österreich ein eindrucksvolles
Ereignis. Die Feierlichkeiten aus Etschmiadsin wurden
live in die Michaelerkirche in Wien übertragen. „Seitdem
feiern wir am 24. April, dem Gedenktag des Genozids,
keine Seelenmesse für die Opfer mehr, sondern ein Fest
der Hl. Märtyrer!“, erklärt Pater Andreas. Dass Öster-reich
den Völkermord offiziell als solchen anerkannte,
war für ihn ein wichtiger Schritt.
Seelsorger Andreas Isakhanyan und Nune Orbelian in der arme-nisch-
apostolischen Kirchengemeinde Hl. Hripsime.
Foto: Tenny Eskandari
Und doch schwingt 105 Jahre danach die Angst vor
einem erneuten Genozid immer mit. Und die Sehnsucht
nach Armenien bleibt. Mehr als die Hälfte der arme-nisch-
apostolischen Christen in Österreich sei bereit,
falls notwendig, nach Armenien zurückzukehren, schätzt
er. Und er selbst? „Ich werde dort sein, wo ich mein Bes-tes
als Priester geben kann.“
Ines Schaberger war bis Anfang 2020 für
Öffentlichkeitsarbeit bei der Öst. Bibel-gesellschaft
zuständig. Sie arbeitet jetzt
als Journalistin in St. Gallen (CH).
AUCH WENN ICH IN WIEN
GEBOREN BIN, VERBINDE ICH
MEINE GANZE EXISTENZ MIT
ARMENIEN.
NUNE ORBELIAN
ARMENISCH-APOSTOLISCH IN ÖSTERREICH
Die armenisch-apostolische Kirche ge-hört
zu den orientalisch-orthodoxen
Kirchen und ist seit 1972 als Religi-onsgemeinschaft
anerkannt. Sie ist Mit-glied
in der Vollversammlung der Öster-reichischen
Bibelgesellschaft. Bischof
Dr. Tiran Petrosyan ist nicht nur für
Österreich, sondern für ganz Mittel-europa
und Skandinavien zuständig. info