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Dialektübersetzungen in Österreich
„Wia da Jona denan in Ninive
die Wadln fi re gricht håt“
Übertragungen biblischer Texte in österreichische Mundart von Tirol bis Kärnten,
von Niederösterreich bis Wien: Mit treff enden und zuweilen auch humorvollen
Formulierungen sind sie ein ganz eigener Zugang zur Bibel.
16 | die Bibel aktuell
Als im Jahr 1971 unter dem
Titel „Da Jesus und seine Hawara“
Wolfgang Teuschls Übertragung
von ausgewählten Texten
aus den Evangelien in Wiener
Dialekt erschien, löste das heft ige
Diskussionen aus. Dürfen Texte
aus der Bibel, dürfen Worte Jesu
aus den Evangelien so einfach in
zuweilen recht derben Dialekt
übertragen werden? Ist das der
Heiligen Schrift angemessen?
Oder ist gerade die Übertragung
in den Dialekt ein niederschwelliger
Zugang zur Bibel für Fernstehende?
Fast ein halbes Jahrhundert später ist
Teuschls Übertragung, die vor allem Texte aus dem
Markusevangelium, ergänzt durch Texte aus den
anderen Evangelien bietet, zu einem Klassiker des
Wienerischen geworden; die treff enden Formulierungen,
die das Gewohnte einmal in verfremdeter
Form bieten, sind nicht nur als Einstieg im Religionsunterricht
unvermindert beliebt. Die Szene aus
Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas
10,30-35), wo zunächst ein Priester und dann
ein Levit an dem Zusammengeschlagenen vorüber
gehen, ohne ihm zu helfen, liest sich bei Teuschl
dann so:
„Zufölich is jezd a Pfoff fuabeikuma, dea hod eam
xäng, owa ea hod eam ned amoe ignoriad. Und grod
aso is a Fuabäta fuariwagschuald und hod si aa
nix um eam gschissn. Nua ana aus Samaria (und a
soechana woa domoes fi a d Judn gwisigwasi da Jud),
dea wos grod fuabeighaadschd is, is zuwegaungan und
hod si daboamd, wia r an daschbeanzld hod.“ (S. 73)
Für Nicht-Wienerinnen und -Wiener mag der jeweils
auf der linken Seite abgedruckte Bibeltext eine
Hilfe zum Verstehen des wienerischen Textes sein –
ebenso wie ein Glossar am Ende des Buches oder
die der aktuellen Ausgabe beigefügte CD mit ausgewählten
Texten, vorgelesen von Willi Resetarits.
Es sollte bis zum Reformationsjubiläumsjahr
2017 dauern, bis auch
ausgewählte Texte aus
der Hebräischen Bibel
unter dem Titel „Da David
und sei Pantscherl“
E
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duvi
ins Wienerische übertragen
wurden. Roland
t
Kadan, Wiener evangelischer
Th eologe und
Kg
Ab
Altphilologe, hat sich 16
bekannten alttestamentlichen
Erzählungen von der Erschaff ung des Menschen
(„Wia da Scheff in Adam gmåcht håt und da
Kain sein Bruada darschlågt“) über den Auszug aus
Ägypten („Babaa, Pharao: Wia si die Israelitn iba d
Heisa ghaut håbm“) bis zu König Salomo („Was da
Salomo fi a r a Viff zack woa“) angenommen.
Im Jahr 2004 erschienen gleich drei Übertragungen
biblischer Texte in österreichische Mundarten: ins
Tirolerische, in Kärntner Mundart sowie in niederösterreichischen
Dialekt.
Unter dem Titel „Gschichtn vom Jesus: Die Bibel auf
Tirolerisch“ haben die Journalisten Antje Plaikner
und Gilbert Rosenkranz Texte aus den Evangelien ins
Tirolerische übertragen. Der barmherzige Samariter
fi ndet sich unter der Überschrift „Der barmherzige
Jugo“ wieder: