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Die Bibel ausgelegt ✛ Annehmen oder ablehnen? Jahreslosung 2015: Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. (Römer 15,7; Lutherbibel) die Bibel aktuell | 11 Dieses Bild kennen alle, die ein Smartphone benutzen. Annehmen oder ablehnen? Das muss sekundenschnell entschieden werden. Heute, wo alle überall und immer erreichbar sind, ist das eine lebensnotwendige Alternative. Wer kann es sich schon leisten, einfach mal abzuschalten und schlicht unerreichbar zu sein? Aber was im Alltag der elektronischen Kommunikation unvermeidlich ist, kann das Zusammenleben in jeder Gemeinschaft gefährden. Überall, wo sich ein „Wir“ gegen „die Anderen“ defi niert und abgrenzt, droht diese Gefahr. In der Gesellschaft werden die Risse tiefer, zwischen den Armen und den Reichen, zwischen den Alten und den Jungen, zwischen denen, die dazugehören und denen, die von Ausgrenzung betroff en sind. Am schmerzlichsten spüren das die, die von Armut betroff en sind. Sie geraten schnell in eine soziale Isolation, weil sie einfach nicht die nötigen Mittel haben, um selbst am gesellschaft lichen Leben teilzuhaben. Aber es geht nicht um Gleichmacherei. Es geht um einen Umgang mit der Vielfalt, durch den die Unterschiede als Bereicherung gesehen werden. Positive Vielfalt Die ersten christlichen Gemeinden, von denen vor allem die Briefe des Neuen Testaments berichten, waren solche durch Vielfalt geprägte Gemeinschaft en. Da gab es Konfl ikte von Anfang an. Konfl ikte zwischen den Jüdinnen und Juden und denen, die „aus den Völkern“ zum Glauben an Christus gekommen waren. Konfl ikte zwischen den Sklaven und Sklavinnen und ihren Besitzern, Konfl ikte zwischen arm und reich, Konfl ikte zwischen Frauen und Männern. Für Paulus gehörte die Vielfalt nicht nur einfach dazu, sie war sogar so etwas wie ein Markenzeichen der Gemeinde. Die Vielfalt der Geistesgaben oder der Glieder am Leib Christi (1 Kor 12) machen das deutlich. Erst die Verbundenheit mit Jesus Christus macht es möglich, diese Vielfalt in der Gemeinschaft positiv zu sehen und miteinander zu leben. An die Gemeinde in Galatien schreibt der Apostel: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. (Gal 3,28). Wie und weil Christus Auch die römische Gemeinde war von solchen Unterschieden gekennzeichnet. Sie drohten zu unüberwindlichen Gegensätzen zu werden. Im letzten Abschnitt des Römerbriefes (14,1 – 15,6) geht Paulus darauf ein. In der Auff orderung, einander anzunehmen, fi nden seine Argumente zum Höhepunkt. Dabei erinnert er daran, dass alle immer schon von Christus angenommen sind. Diese Annahme durch Christus ist nicht bloß ein Vorbild und ein Beispiel, dem die Christinnen und Christen folgen sollen. Sie ist letztlich die Begründung dafür, warum die gegenseitige Annahme erwartet werden kann. Die gegenseitige Anerkennung in der Gemeinde, trotz aller bestehenden und bleibenden Unterschiede, geschieht nicht nur, wie Christus uns angenommen hat, sondern vor allem weil er uns angenommen hat. Diese Annahme geschieht zum Lobe Gottes, der sich durch sein bedingungsloses Ja immer schon jedem und jeder versprochen hat. In der Zuwendung Gottes aus Gnade allein liegt der Grund der Gemeinde. Da ist niemand ausgeschlossen. Dafür wird der Glaube geschenkt und die Kirche gesandt, dass das ausstrahlt in die Welt. Hon.-Prof. Dr. Michael Bünker ist Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich. lassedesignen - Fotolia


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