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Die Bibel ausgelegt
„Dunkle Zeiten werden angesprochen,
doch auch hier gilt Gottes Versprechen:
Ich bin mit dir, bin für dich da!“
Heike Wolf ist Pfarrerin in Wien Leopoldstadt und
Brigittenau und unterrichtet am Evangelischen Gymnasium
und Werkschulheim in 1110 Wien. Sie ist Mitglied der
Vollversammlung der Österreichischen Bibelgesellschaft.
die Bibel aktuell | 11
Auszug aus dem Vaterhaus – Das war sicher sehr
schwer: Sich-Lösen aus dem elterlichen Bereich.
Hier ist sowohl die örtliche als auch die seelische
Trennung gemeint, also ein Weggehen von den Traditionen,
die er bisher gelebt hat.
„Geh!“
Mitten hinein in sein bisheriges Leben kommt diese
Auff orderung von Gott: „Geh! Mache dich bereit
zum Aufb ruch!“
Wie ist es Abraham damit ergangen, wie hat er diese
Auff orderung gehört? Im Alten Testament werden
verschiedene Wege beschrieben, wie Gott sich bei
den Menschen bemerkbar macht. Auf jeden Fall war
Abraham sicher, dass es Gottes Stimme war, die ihn
gerufen hat und nicht eine andere. „Aufb rechen“
ist hier ein zentrales Th ema. Glauben hat ganz wesentlich
damit zu tun und zwar in einem doppelten
Sinn: einerseits „aufb rechen“ im Sinne von: sich auf
einen Weg machen, etwas Neues wagen, losziehen;
andererseits aber auch „aufb rechen“ im Sinne von:
etwas, was erstarrt ist, aufb rechen; das Öff nen von
etwas Eingeschlossenem.
Und Sara?
Was mich an dieser Erzählung noch brennend interessiert
hätte, wird leider nicht berichtet: Wie haben
denn die Seinen reagiert auf diese Entscheidung?
Das war kein „Wir überlegen gemeinsam“, wie es
für uns heute selbstverständlich sein sollte. Es war
ein einsamer, aus dem Vertrauen gegenüber Gott
gewachsener Entschluss.
Bis heute sind es oft die Frauen, die solche Entscheidungen
mittragen müssen, in Gesellschaft en,
in denen das Familienoberhaupt bestimmt. Aktuelle
Flüchtlingsschicksale erzählen uns davon. Was Sara
wohl gedacht hat oder wie sie mit Abraham gestritten
hat wegen dieses Rufs – wir wissen es nicht. Am Ende
geht ja alles gut aus und oft ist dieses gute Ende das
Einzige, das im Nachhinein eine Rolle spielt.
Heute sprechen wir längst nicht mehr von Erzvätererzählungen,
sondern nennen diese Geschichten
Erzelternerzählungen. An dieser Stelle liegt aber der
Fokus einzig auf Abraham. Dass dieses „Happy End“
ursprünglich aus einer sehr gewagten Tat erwächst,
dem Verlassen der eigenen Lebensgrund lagen, das
ist hier das Besondere. Der Segen Abrahams, der sich
aus dem Gehorsam gegenüber Gottes Wort ergibt, ist
der universale Segen des mono theistischen Gottes.