Profispieler zu werden.“ Haim hatte
bereits vor vier, fünf Jahren schon mal
damit gehadert, aufzuhören und zwischenzeitlich
auch eine Pause eingelegt. Für
Dahlbo eher ungewöhnlich, bei den meisten
komme die Grundsatzfrage erst mit
Anfang 20 auf: „Der Traum platzt mit der
Erkenntnis, dass es ein Beruf ist, bei dem
du sehr viel tun musst.“ Das Schlagwort
heißt Durchhaltevermögen, das ist entscheidend,
wie auch Trainer Huber
ergänzt: „Oft ist es besser, wenn in der
Jugendzeit nicht alles zu leicht geht. Spieler
müssen lernen, hart zu arbeiten, sich
zu quälen und das auch noch lieben – so
brutal es klingt. Das ist das größte Talent,
das jemand mitbringen kann.“ Betreuer
haben dabei durchaus Einfluss und das
Thema findet sich deshalb auch im Lehrplan
der Tennistrainer, wie ÖTV- und TTV-
Ausbildungsleiter Harald Mair, selbst einst
Coach und Topspieler, berichtet: „Die Persönlichkeitsentwicklung
als Lehrinhalt
gehört längst dazu, ebenso wie auch
gelernt wird, Finanzpläne aufzustellen.“
Die finanzielle Situation:
Der vermutlich gewichtigste Grund für das
Ende noch junger Karrieren dürften
begrenzte Finanzen sein. Rund 50.000
Euro pro Saison braucht es, so schätzen
die Tiroler Trainer grob, um im Weltsport
international durchzustarten. „Zunächst
macht sich keiner Gedanken, wo das Geld
herkommt, mit Anfang 20 dann aber
doch“, beschreibt Dahlbo. Plötzlich ist ein
Bewusstsein da, verantwortlich für die
finanzielle Mehrbelastung etwa der Eltern
zu sein. Der Druck, Ergebnisse zu liefern,
steigt. Und wer sich nicht rasch Richtung
Challenger-Turnieren durchschlägt, für den
wird es schwer.
Bei Ausbildner Mair, aus einer Arbeiterfamilie
stammend, war deshalb als Top-300-
Spieler Schluss. Mit 21 fiel er aus dem
damals noch anderen Förderungssystem:
„Ich habe dann die Kosten berechnet und
erkannt, dass es keinen Sinn macht.“ Er
vergleicht das Risiko des finanziellen Einsatzes
gar mit Glücksspiel: „Es ist wie auf
Rot oder Schwarz zu setzen, den Gewinn
für das Casino bringt aber die grüne Null.“
Verschärft wird die Situation dadurch, dass
es in Tirol kaum Firmen gibt, die als Sponsoren
in Frage kommen. Wahl-Tiroler
Tirols Meisterin Ema Vasic verließ Tirol und trainiert in ihrer serbischen Heimat, bleibt aber
dem TC Wörgl als Bundesligaspielerin erhalten.
Andreas Haider-Maurer (einst ATP-47.) aus
Groß Gerungs (NÖ) bekam indes eine
Chance, durch frühe Erfolge: „Ich war in
den Top 10 der Jugendweltrangliste. Seit
ich 16 war, kümmerte sich ein Manager um
meine Sponsoren. Das war sicher ein wichtiger
Punkt meiner Karriere.“
Die Tortur der Tour:
Mehr und mehr belasteten Matthias Haim
zuletzt auch die ständigen Reisen: „Jede
Woche woanders zu sein und aus dem Koffer
zu leben, das ist nicht so leicht.“ Bis
auf wenige Wochen im Jahr sind Spieler
seiner Klasse bereits unterwegs, mal
näher, mal weiter weg, und dabei oft auf
sich allein gestellt. Ein für die Karriere entscheidender
Punkt, weiß Coach Huber:
„Egal, wo man ist, ein Spieler muss ständig
das Maximum aus sich herausholen,
muss jede Woche ans Limit gehen und
immer dran bleiben. Die Entwicklung darf
nie stagnieren.“
Die berufliche Ausbildung:
Tennis spiele aber weiter eine wichtige Rolle
in seinem Leben, sagt Haim. Die Bewerbungen
für ein Stipendium an einem US-College
laufen, Vorrang habe aber die akademische
Ausbildung. Dahlbo kennt diese Gedanken:
„Viele Freunde beginnen zu studieren, und
Spieler glauben, sie versäumen etwas.“
Mair erklärt es mit einer gesellschaftlichen
Sicht, bei der davon ausgegangen wird,
dass aufgrund einer Tenniskarriere nicht
mehr alle beruflichen Wege offen stehen
würden: „Der Sport lehrt einem so viel, aber
das wird nicht als Ausbildung wahrgenommen,
sondern lediglich als Hobby.“
Das Umfeld und mögliche Zweifel:
Als Prävention gegen ein Karriereende gilt
ein stabiles Umfeld des Spielers. Coach
Dahlbo ist davon überzeugt: „Es braucht
neben der Familie zumindest eine Person,
die dich über die Jahre hinweg begleitet.
Ständige Wechsel bringen nichts.“ Auch
Trainer Huber sieht im Vertrauen einen
wichtigen Punkt für Beständigkeit. Nicht
jeder brauche den gleichen Rat, je besser
man sich kenne, desto besser funktioniere
eine Zusammenarbeit: „Ein Spieler sollte
nicht am Trainer und darf auch nicht an
sich selbst zweifeln.“ Was Neues auszuprobieren
ist dennoch nicht ausgeschlossen,
glaubt Dahlbo. Wer zweifle oder
glaube, dass es anderswo Mysterien gebe,
die zu einem besseren Spiel führen würden,
„der muss gehen und das ist dann
auch okay“.
Wie etwa die Innsbruckerin Ema Vasic im
Herbst Tirol verließ. Die 19-Jährige trainiert
nun in Novi Sad (SRB), nahe der Heimat
ihrer Eltern. Eine Karriere, die entgegen
Gerüchten noch nicht zu Ende ist.
Sabine Hochschwarzer-Dampf
www.tennistirol.at April – Nov. 19 insideout 17