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✛ Ukraine Die Bibel von Ostrog Fürst Konstantin von Ostrog hatte um 1580 erstmals die Bibel in die Sprache der slawischen Orthodoxie übersetzt. In der heute ukrainischen Stadt Ostrog wurde die erste Ausgabe gedruckt. Sie ist damals in kleiner Aufl age erschienen und hat heute einen Wert von € 36.000,–. 8 | die Bibel aktuell Das 16. Jahrhundert prägte Europa durch die Reformation, die Gegenreformation und die Möglichkeiten des neu entstandenen Druckgewerbes in der Verbreitung von Meinungen und Nachrichten. Dies ist auch in Osteuropa der Fall gewesen, für unsere Wahrnehmung weniger präsent, aber nicht minder intensiv. Die westlichen orthodoxen Teile der Ukraine wehrten sich gegen Einfl üsse und Besitzansprüche des damaligen katholischen Großreiches Polen-Litauen. Das Baltikum wurde protestantisch und hatte vermehrt Einfl uss in Polen. Jesuitenmissionen wurden gegründet. Die Gegenreformation organisierte sich und die Orthodoxie befand sich mitten in diesen Auseinandersetzungen. Mal suchte sie Koalitionen mit der einen, mal mit der anderen Seite. Sekten und fromme Gruppen machten das Bild noch unübersichtlicher. Die Unitarier des Krakauer Predigers Georg Schomann lehnten die altkirchliche Christologie ab. Szymon Budny, ein ehemaliger reformierter Pfarrer, der in der Schweiz studiert hatte, führte die Nonadoranten. Diese lehnten die Anbetung Jesu ab. Beide gaben eigene Bibelübersetzungen heraus und versuchten, dadurch Einfl uss zu gewinnen. Konstantin von Ostrog Fürst Konstantin von Ostroh oder Ostrog (1526–1608), einer Stadt in der westlichen Ukraine, wollte als überzeugter orthodoxer Christ den Einfl uss der anderen Konfessionen zurückdrängen und beschloss, ebenfalls eine Bibelübersetzung herauszugeben. Zu diesem Zweck sammelte er Gelehrte und Übersetzer an seinem Hof. Sie bildeten die Grundlage für die Orthodoxe Akademie und die spätere Universität. Zunächst sammelte er Bibelhandschrift en und Drucke in verschiedenen Sprachen. Aus Konstantinopel bekam er eine Abschrift des Codex Alexandrinus, Zar Iwan IV schickte ihm eine Kopie der Gennadius-Bibel von 1499. Diese kirchenslawische Handschrift aus Nowgorod, eine Vulgata-Übersetzung, war aber für seine Zwecke ungeeignet. Er wollte aus der griechischen Bibel übersetzen lassen. Die Gennadius-Bibel diente wohl als Grundlage, aber alle Vulgata-Stellen wurden anhand des griechischen Textes korrigiert, lateinische Lehnworte gestrichen oder durch griechische ersetzt. Verschiedentlich kann man Einfl üsse aus einer tschechischen Bibelausgabe nachweisen, die ihm vorgelegen hat. Obwohl schon Bibeltexte in weißrussischer und ukrainischer Sprache existieren, hat Fürst Konstantin sich für eine Übersetzung ins Kirchenslawische entschieden. Dies hatte einen politischen und einen praktischen Grund. Das Kirchenslawische ist die Sprache der slawischen Orthodoxie und ist damit grenzübergreifend, das war der politische Grund. Und der praktische Grund: Sein Drucker, Ivan Fjodorov, war Russe und beherrschte das Ukrainische nicht. Ivan Fjodorov Ivan Fjodorov, 1583 in Lemberg gestorben, war der erste Drucker, der bewegliche Lettern für die kyrillische Schrift gießen konnte. Er druckte zunächst in Moskau, doch Mönche aus den dortigen Kopierwerkstätten der Klöster fürchteten durch die neue Technologie den Verlust ihrer Arbeitsplätze und brannten seine Werkstatt nieder. Er musste fl iehen und kam an den Hof Konstantins. Hier druckte er 1580/81 die erste kirchenslawische Bibel. Die Bibel wurde in einer Aufl age von 1500 bis 2000 Exemplaren hergestellt. Sie umfasst 628 Folia oder 1256 Seiten. Auf dem Vorsatzblatt befi ndet sich ein Lobgedicht auf Konstantin und sein Unternehmen, den Einfl uss der Häretiker einzudämmen. Ebenfalls ist das Wappen Konstantins abgedruckt. Gegenwärtig sollen noch 300 Exemplare vorhanden sein. Auf einer Versteigerung 2007 wurde ein Exemplar auf € 18.000,– geschätzt. Es erlöste aber das Doppelte, € 36.000,– . Karl Klimmeck, Schweizerische Bibelgesellschaft Das Titelblatt der Ostroger Bibel.


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