ÖSTERREICH 13
berichtet Pfarrer Dietmar Weikl: „Das eine befand sich in
einem Heuschober, der nur über eine Leiter zu erreichen
war und bei dem die letzte Sprosse locker saß; dies war
selbstverständlich nur Eingeweihten bekannt. Das
andere war in einem Fass, das eine Bibel enthielt und
das, wenn die Bibel nicht in Gebrauch war, im nahe
gelegenen Hallstätter See versenkt wurde. Im letzteren
Fall tauchte die Bibel buchstäblich unter: sie ging
gleichsam in den Untergrund.“
HEIMLICHE TREFFPUNKTE
Abgelegene Orte in der Natur wurden zu Treffpunkten
für größere Gruppen. Der sogenannte „Predigtstuhl“
circa eine Stunde Fußweg von der evangelischen
Kirche Ramsau am Dachstein entfernt, war so ein Ort,
wo sich die bäuerliche Bevölkerung im größeren Kreis
zum Gottesdienst traf. „Von hier aus hatte man eine gute
Aussicht über die gesamte Ramsau und konnte verstreut
wieder absteigen, wenn sich ein Spion genähert hätte“,
erklärt Pfarrerin Martina Ahornegger. Die Wahrschein-lichkeit,
„
entdeckt zu werden, war also gering. Wer sich
heute auf den Weg zum „Predigtstuhl“ macht, entdeckt
vielleicht die in einer Mauerritze verborgene Bibel als
Erinnerung daran, dass sie damals versteckt werden
musste.
WAGHALSIGE SCHMUGGELWEGE
Wurden Bücher entdeckt und konfisziert, mussten neue
her. Diese wurden auf waghalsigen Wegen von Orten-burg
an der bayerischen Grenze über das Salzkammer-gut,
den Dachstein sowie die Kärntner Nockberge an die
slowenische Grenze gebracht. Der „Weg des Buches“,
ein Themenweg in 29 Rad- und Wanderetappen erinnert
heute daran und ermöglicht es, auf den Spuren der
Bücherschmuggler evangelische Geschichte nachzu-empfinden.
Die Bücherschmuggler, sogenannte
„Kraxenträger“, waren meist emigrierte Evangelische
aus den Erblanden und Handwerksgesellen.
EINE BIBEL FÜR ZWEI KÜHE
Umso wertvoller waren die geschmuggelten Bücher: Für
eine Lutherbibel bezahlte man damals den Wert von zwei
Kühen. Die älteste Lutherbibel in Österreich stammt aus
dem Jahr 1535 und gehört zum Hof der Familie Wieser
in der steirischen Gemeinde Ramsau am Dachstein. Die
in Leder gebundene Bibel weist starke Gebrauchsspuren
auf, ein Zeichen dafür, wie oft darin gelesen wurde.
Heute ist sie sicher verwahrt und kann daher auch nicht
mehr besichtigt werden. „Zum Lesen nehmen wir sie
nicht mehr her, dafür ist sie zu kostbar“, erklärt ihr
Besitzer Franz Wieser.
GETÄUSCHTE GLÄUBIGE
Hausandachten auf Höfen wie dem Wieser-Hof wurden
zum Herzstück des religiösen Lebens im Geheimprotes-tantismus.
Laienprediger gaben die Glaubensinhalte
Klassenzimmer des ehem. Evangelischen Schulhauses in Rutzenmoos.
Foto: Evangelisches Museum Oberösterreich
Lesen und Schreiben zu
können war ein Verdachtsmoment
der Reformatoren.
WILLI STADLER
Museumsverwalter
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