IM GESPRÄCH
Markus Neuherz ist seit September 2021 Generalsekretär der
Lebenshilfe Österreich. Zuvor begleitete er Lehrlinge und Jugendliche
mit Benachteiligungen bei ihrem Einstieg ins Berufsleben.
Zuletzt war er Geschäftsführer des Dachverbandes berufliche
Integration Austria. Wir erreichten den Vater von zwei Kindern im
Homeoffice.
Robert Saugspier hat 25 Jahre lang in der Redaktion der Wiener
Lebenshilfe-Zeitung mitgearbeitet. Als langjähriger Selbstvertreter
unterstützt er Werkstatträte und engagiert sich im Selbstvertreterbeirat
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der Lebenshilfe Österreich.
noch mehrere Jahre beschäftigen werden. Aber
wir können sie angehen, anstatt zu sagen: Nein,
ich kanns nicht umsetzen, deshalb lasse ich es
gleich. Und ich bin zuversichtlich, dass wir viele
Partnerinnen und Partner finden, die uns helfen,
die Dinge umzusetzen.
Was für ein Bild hast du dir von unserem Selbstvertreterbeirat
gemacht?
Bei meinem Besuch war ich beeindruckt von der
Professionalität. Es wurden interessante und
wichtige Themen behandelt. Dann wurden die
Meinungen zusammengetragen und gemeinsam
festgehalten: Was brauchen wir und welche
Forderungen haben wir? Das ist eine sehr professionelle
Interessenvertretung. Da freu ich mich
auf die weitere Zusammenarbeit.
Was waren deine ersten prägenden Erfahrungen
mit Behinderung?
Ich komme aus einem kleinen steirischen Dorf.
Der Nachbarsbursche, der ein Jahr älter war
als ich, hatte Lernschwierigkeiten. Wir haben
gemeinsam gespielt, jeden Nachmittag. Das hat
sich geändert, als er in die Sonderschule gekommen
ist und dafür in die Bezirkshauptstadt
fahren musste. Ich habe mich gefragt, warum
muss mein bester Freund in eine andere Schule
gehen, nur weil er eine Lernbehinderung hat?
Wir spielen doch zusammen, das macht Spaß.
Warum kann er nicht mit uns Schule gehen? Er
verlor den Kontakt zu allen Kindern im Dorf, nur
weil er in die Sonderschule gehen musste.
Auch ich flog nach langen Klinikaufenthalten
von der Volksschule und musste in die Sonderschule.
Das war nicht schön für mich.
Ja, das verstehe ich. Mein Eindruck war, wenn
mein Kindheitsfreund in eine inklusive Schule
gegangen wäre, hätte er vieles ganz normal mitlernen
können. Wir haben uns vor einigen Jahren
wieder mal getroffen. Er steht mitten im Leben,
hat Kinder. Er hat nach der Sonderschule eine
Tischler- Anlehre gemacht und später dann in der
freien Wirtschaft einen Job gefunden. Da geht es
oft nur um Förderung, die notwendig gewesen
wäre – und die vielen Menschen geholfen hätte.
Was braucht es, um die Interessen von Menschen
mit Lernschwierigkeiten durchzusetzen?
Es braucht Meinungsbildung. Das heißt, man
kommt zusammen und überlegt sich, was ist uns
wichtig und warum? Daraus ergeben sich dann
ein paar wenige, ganz konkrete Forderungen.
Und dann muss man gemeinsam auftreten –
in der Lebenshilfe, aber auch außerhalb der
Lebenshilfe. In Tirol gibt es zum Beispiel den
Jugendbeirat – so etwas brauchts. Wichtig sind
auch Verbündete aus anderen Bereichen, zum
Beispiel Angehörige. Wir müssen also mit Leuten
zusammenarbeiten, um unsere Interessen
durchzusetzen. Wir sind nicht allein auf dieser
Welt, und auch Menschen mit Lernschwierigkeiten
sind nicht allein mit dem, was sie fordern und
was sie wollen. Und das können wir nutzen, dass
wir Verbündete haben.
Was denkst du, wenn du beim Arzt alles in Fachsprache
erklärt bekommt?
Jeder Mensch hat das Recht, gut aufgeklärt zu
werden und alles so erklärt zu bekommen, dass
er es auch versteht. Es sollten auch nicht wichtige
Dinge weggelassen werden.
Dieses Anliegen betrifft Menschen mit Lernschwierigkeiten,
aber das betrifft zum Beispiel
auch Menschen, die nicht Deutsch als Muttersprache
haben. Die brauchen auch gute
Erklärungen in einfacher Sprache. Auch für mich
würde ich mir wünschen, dass es einfacher ist.
Da ist noch viel Arbeit notwendig, um das zu
vereinfachen.
Kannst du dir vorstellen, Forderungen gemeinsam
mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zu
erarbeiten, um sie durchzusetzen?
Ja, absolut. Das ist ja unser Kernauftrag. Das
steht in meinem Jobprofil. Nur in der Zusammenarbeit
mit Menschen mit Behinderungen können
wir erfahren, was diese wirklich brauchen und
wollen.
Die jetzige
Regierung hat
in ihrem Programm
Lohn
statt Taschengeld
festgeschrieben.
Das
stimmt mich
positiv.
Markus Neuherz