30. JAHRE „FEUER IN DEN ALPEN“
30 Jahre Mahnfeuer gegen die Zerstörung der Alpen. Füreinander brennen statt gegeneinander zündeln.
Klimakrise und Nationalismus sind die beiden größten Bedrohungen unserer Zeit, meint Kaspar Schuler,
von CIPRA International.
Foto Darko Todorovic
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NATURFREUNDE PROGRAMM WINTER 2018
Vor genau 30 Jahren: Im entlegenen Bündner Hochtal Madris, hart
an der Grenze zum italienischen Bergell, brannte ein Höhenfeuer als
widerständischer Hilferuf. Zusammen mit einer Handvoll beherzter
Einheimischer und Zugewanderter wehrte ich mich als Alphirt mit meiner
Familie gegen ein Pumpspeicher-Stauseeprojekt, wie sie damals
gleich im Dutzend quer über den Schweizer Alpenraum geplant waren.
Auch der ungezügelte Ausbau der alpinen Transitautobahnen, die Abwertung
der Berglandwirtschaft, das Aufkommen von Schneekanonen
und immer mehr Skigebieten beschäftigten uns Umweltbewegte.
Die Feuer waren das verbindende Element von Themen, Regionen und
Menschen. Wir stellten uns vor, diese Lichterkette in einem nächtlichen
Adlerflug von Wien bis Nizza zu erleben.
Die Verbreitung der Nachhaltigkeit als grundlegendes Entwicklungskonzept
gibt den ungezählten VorkämpferInnen recht. Nicht zuletzt jenen,
die seit den Fünfzigerjahren unermüdlich die Idee eines alpenweiten
Schutzvertrages verfochten. 1995 wurde er Realität. Seitdem setzt
* Preise für Naturfreundemitglieder
die Alpenkonvention den politischen Rahmen für volkswirtschaftliche
Entwicklung in Übereinstimmung mit ökologischer Achtsamkeit. Doch
die Arbeit ist nicht getan. Die Klimakrise beutelt den Alpenraum. Und
ein altbekanntes Gift pocht in den Adern vieler AlpenbewohnerInnen:
der Nationalismus.
Die Klimaveränderung zeigte diesen Sommer mit der gravierenden
Trockenheit im deutschsprachigen Alpenraum ihre Zähne und führte
manchenorts gar zu einem generellen Feuerverbot. Statt einem Feuer
in den Alpen faszinierte folglich eine künstlerische Lichtakrobatik die
TeilnehmerInnen der 30-jährigen Jubiläumsveranstaltung von Alpeninitiative,
Mountain Wilderness und CIPRA.
Der Nationalismus feiert ein düsteres Revival, indem er billige Rezepte
zur Lösung politischer Probleme verspricht, obwohl er nur eines
erzeugt: Verlierer. Mein Sommerurlaub an der türkisblauen Soça in
Slowenien erinnerte mich wieder daran. Einerseits faszinierten mich
dort die Begegnungen mit der Herzlichkeit der Menschen in den Julischen
Alpen über Sprach- und Landesgrenzen hinweg. Andererseits
zeigen sich an den Berghängen und in den Dörfern die Narben der
Isonzo-Front und wecken die grauenvolle Erinnerung an den Ersten
Weltkrieg. Im Namen nationalistischer Ideale zerfleischten sich damals
zwei Jahre lang gegenseitig die Soldaten der Slowenen, Österreicher,
Ungarn, Deutschen und Italiener auf Bergkämmen und in den Tälern,
ungefähr 200.000 kamen um.
Es liegt also wiederum an uns, den AlpenbewohnerInnen von heute,
beiden Bedrohungen die Stirn zu bieten: Dem Nationalismus und der
Klimakrise. Mit Taten der Innovation und Bescheidenheit, mit Offenheit
und Menschlichkeit, gipfel- und grenzüberschreitend verbunden.
Damit die Feuer nicht als Verheerung durch Kriege oder Waldbrände
brennen, sondern füreinander, in unseren Herzen.
Kaspar Schuler ist seit Juni der neue Geschäftsführer von CIPRA
International
Mahnfeuer der Naturfreunde und der NF-Jugend auf der Saile.