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Bibelhandschriften
12 | die Bibel aktuell
Foto: Michael Landgraf
Schriftrolle mit einem hebräischen Kommentar zu Habakuk (Rolle 1QpHab).
Die Schriftrollen von Qumran
Am Nordwestufer des Toten Meeres liegen die Ruinen der antiken Siedlung von Qumran. Sie sind
noch immer eine Attraktion, denn in den Höhlen ihrer Umgebung wurden vor 70 Jahren Schriftrollen
entdeckt, die bis heute als bedeutsamste Funde von Bibelhandschriften gelten.
Ein Viehhirt kletterte 1947 in eine dieser Höhlen und
entdeckte dort ein paar Tonkrüge. Doch was für eine
Enttäuschung! In ihnen befand sich kein Gold, sondern
nur eine in Leinen eingewickelte Schrift rolle, die berühmte
erste Jesajarolle, die heute im Israel-Museum verwahrt
wird. Da die Schrift rolle aus Leder gefertigt war, schnitt
der Beduine ein paar Teile davon ab und verkauft e sie
zunächst an einen Schuster in Bethlehem. Dann gelangten
die Schrift stücke in den Besitz eines syrisch-orthodoxen
Metropoliten und schließlich in die Hände eines Professors
an der Hebräischen Universität Jerusalem. Dieser
erkannte als Erster das Alter und den Wert der Handschrift
und fahndete sogleich nach ihrer geheimnisvollen Herkunft
. So begann eine der aufregendsten Fundgeschichten.
Insgesamt wurden elf Höhlen mit Schrift stücken entdeckt,
und schließlich die Ruinen der Siedlung von Qumran.
200 Handschriften mit Bibeltexten
Innerhalb der nächsten zehn Jahre kamen Überreste von
ca. 800 Handschrift en ans Licht, darunter auch Schreibübungen,
Rechnungen und Urkunden. Bei etwa 200 Handschrift
en handelt es sich um biblische Texte. Bis auf das
Buch Ester sind damit alle biblischen Bücher in Qumran
vertreten, am häufi gsten die Psalmen mit 36 Exemplaren.
Freilich sind kaum mehr als 20 Schrift rollen vollständig
erhalten. In vielen Fällen existieren nur noch lädierte
Fragmente, auf denen sich ein paar wenige Bibelverse
entziff ern lassen. Schätzungen dieser Bruchstücke ergeben
15.000 Teile.
Warum wurden die Schrift rollen in Höhlen gelagert? Die
Archäologen können diese Frage überzeugend beantworten:
Als die Römer im Jahr 68 n. Chr. in Palästina einmarschierten,
zogen sie auch am Toten Meer entlang. Bevor sie die
Siedlung von Qumran erreichten, versteckten ihre Bewohner
zunächst die wertvollsten Schrift rollen in den nahe gelegenen
Höhlen, zum Schluss auch noch alle anderen Schrift -
stücke. Die Römer zerstörten die Siedlung und richteten
dort einen Militärposten ein. Wahrscheinlich sind dabei alle
Bewohnerinnen und Bewohner ums Leben gekommen. So
erklärt sich auch, warum die Höhlen mit ihren kulturellen
Schätzen ganz in Vergessenheit geraten konnten.
Zwei Jeremiabücher
Heute sind alle Handschrift en, auch die kleinsten biblischen
Fragmente, wissenschaft lich untersucht und veröff entlicht.
Dabei gab es einige Überraschungen. Beispielsweise rätselte
man lange, warum die griechische Übersetzung des Buches
Jeremia einen kürzeren Text enthielt als die hebräische
Bibel. Hatten die griechischen Übersetzer eigenmächtig
den Bibeltext gekürzt? Nein, hatten sie nicht! Denn in