ÖSTERREICH 15
8.000 Bücher, darunter Biographien, Romane, Gedichte,
Sachbücher und Märchen. Auch Reiseberichte seien sehr
beliebt. Einmal im Monat ist Büchertausch, dann haben
Insassen die Möglichkeit, neue Bücher zu bestellen.
BIBELN SIND GEFRAGT
Ich frage nach, wie die Verfügbarkeit von Bibeln hier
ankommt, und ob solche Neuzugänge der Bibliothek
auch entsprechend beworben werden. Das sei nicht
notwendig, erklärt Herr Natowicz, Bibeln waren schon
immer gefragt und finden sich regelmäßig auf den Be-stellzetteln
der Insassen. Die zahlreichen Bibelausgaben,
die im Frühjahr 2021 aus zwölf verschiedenen Ländern
zu uns ins Bibelzentrum kamen, dort jeweils mit Stem-pel
versehen, zu Paketen zusammengestellt und an die
28 Justizanstalten verschickt wurden, finde ich in einem
eigenen Regal der Bibliothek wieder. Sorgsam aufgereiht
sind hier die verschiedenen Übersetzungen in Sprachen
wie Russisch, Farsi, Ungarisch oder Kroatisch. Manfred
Natowicz freut sich darüber; als Bibliothekar ist es ihm
ein großes Anliegen, Leserwünsche erfüllen zu können.
Dabei ist oft auch die Sprachenvielfalt im Gefängnis eine
besondere Herausforderung. Herr Natowicz ist beein-druckt,
dass die Bibelgesellschaft ein internationales
Sortiment in dieser Größenordnung auf die Beine gestellt
hat. Im allgemeinen Buchhandel sei so etwas undenkbar.
ANDERS ALS ANDERE BÜCHER
Die Bibel wird in vielerlei Hinsicht anders gelesen als
andere Bücher. Das sieht auch Manfred Natowicz so,
Bibelausgaben werden in der Entlehnung grundsätz-lich
verlängert. Auch der Zugang ist „immer merklich
emotional“, beobachtet der Bibliothekar. Über Monate
hat die Bibelgesellschaft in der Zeit der Pandemie an
der Verwirklichung des Projekts „Bibeln für die Biblio-theken
der Justizanstalten“ gearbeitet, um den Zugang
zur Bibel für Haftinsassen zu fördern. In Abstimmung
mit dem Bundesministerium für Justiz entstand eine
Liste an Sprachen und Ausgaben, die sich nun in allen
österreichischen Justizanstalten ident wiederfindet. Die
Koordination und Beschaffung der Bibeln in insgesamt
13 Sprachen war eine Herausforderung. Die Hindernisse
reichten von pandemiebedingten Lieferschwierigkeiten
und dem Brexit bis zum eingeschneiten Madrid, das den
Versand aus Spanien für einige Tage lahmlegte. Doch
allen Hindernissen zum Trotz ist es seit Ende Mai 2021
möglich, dass sich Haftinsassinnen und -insassen in
ganz Österreich eine Bibel in der von ihnen gewünschten
Sprache ausborgen. Persönliche Bibelexemplare, so diese
von Insassinnen und Insassen gewünscht werden, sind
darüber hinaus natürlich weiterhin kostenlos über die
Bibelgesellschaft erhältlich und werden in regelmäßiger
Kooperation mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern der
verschiedenen Kirchen zur Verfügung gestellt.
Die Bibel bewegt, berührt und nimmt mit. Für die Öster-reichische
Bibelgesellschaft ist es etwas ganz besonde-res,
dass Bibeln auf Farsi, Russisch oder auch Serbisch
jetzt in den Justizanstalten in ganz Österreich vorhanden
sind, dort mit Menschen in Kontakt kommen und auf
diese Weise lebendig werden.
Ruth Duschet, MA, ist
bei der Bibelgesell-schaft
seit 2014 als
Projektmanagerin unter
anderem für das Projekt
„Bibeln für Gefangene“
verantwortlich.
Foto: ÖBG /Nora Matern
Von Englisch bis Dari - die Bibliotheken der Justizanstalten enthalten nun
Bibelausgaben in 13 verschiedenen Sprachen. Foto: Ruth Duschet
„
DER ZUGANG ZUR BIBEL
IST IMMER MERKLICH
EMOTIONAL.
MANFRED NATOWICZ
Bibliothekar der Justizanstalt
Wien-Simmering