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noch nicht so weit! Da kann man nur drüber den
Kopf schütteln. Denn im Grunde sind sie ja die
Dummen.
H.K.: Haben sie selber einmal erlebt, dass man
Menschen nichts zutraut?
J.G.: Meine Halbschwester erkrankte mit 3 oder 4
Jahren
an Kinderlähmung und war schwerstbehindert.
Mein Vater hat Spezialisten aufgesucht.
Sie blieb gehbehindert. Aber sie hat geheiratet,
drei Kinder geboren und erledigt heute als
Großmutter noch den Haushalt vom Rollstuhl
aus. Das haben wir ihr alle nicht zugetraut – und
gelernt. Heute weiß ich, dass man nach dem Äußeren
nicht urteilen kann, was in einem Menschen
verborgen ist und welche Kräfte er entwickeln
kann. Denn ich hab sie nie klagen gehört.
H.K.: Sie haben auch mit Schauspielern aus der
Lebenshilfe den „Jeder-Mensch“ aufgeführt. Wie
verlief die gemeinsame Arbeit?
J.G.: Es ist 10 Jahre her, dass ich in Salzburg diese
Bearbeitung des Jedermann gespielt habe –
mit Kolleginnen mit und ohne Behinderung. Ich
war anfangs schon etwas verunsichert, doch in
den Proben erkannte ich, mit welchem Einsatz
die Kolleginnen hier arbeiten. Die Männer und
Frauen haben alles gegeben, getanzt und sich
getraut, in die Rolle reinzugehen ohne jegliche
Sorge, sich zu blamieren. Es war für mich ein
ganz großes Erlebnis. Übrigens: Haben Sie auch
einmal Theater gespielt?
H.K.: In meiner Schulzeit in Tirol haben wir zu
Weihnachten Theater gespielt. Weil ich gut lesen
konnte, war ich immer die Erzählerin.
J.G.: Gibt es eine Rolle, in die Sie gerne schlüpfen
würden?
H.K.: Ich würde gern Stewardess sein und die
Welt bereisen. Oder am Meer leben, wo ich mich
entspannen könnte und meine Ruhe hätte.
J.G.: Ja, wer – wie wir beide – mit vielen Menschen
zu tun hat, braucht auch die Ruhe – das
ist die andere Seite.
Hanna Kamrat ist im Selbstvertretungs-Beirat
der Lebenshilfe Österreich. Am Rande einer Pressekonferenz
„Gegen Barrieren“ sprach sie mit der
Tiroler Kammerschauspielerin Julia Gschnitzer,
die heute in Salzburg lebt.
Ich möchte
nicht bemitleidet,
sondern
akzeptiert
werden,
wie ich bin.
Kammerschauspielerin
Julia Gchnitzer
Prominente über Barrieren
in Kopf und Alltag
Julia Gschnitzer und andere Künstlerinnen sind
die Gesichter einer österreichweiten Plakat-
Kampagne. Was bewegt sie, „gegen Barrieren in
Kopf und Alltag“ einzutreten?
„Es ist wichtig, dass wir ein bisschen offener
werden und die Angst vor Menschen mit Beeinträchtigung
abgebaut wird.“
Gerry Friedle, bekannt als DJ Ötzi
„Barrierefrei baut man ja schon. Fehlen nur
noch die Köpfe. Fangen wir an.“
Cornelius Obonya, Schauspieler
Nachdem wir selbst Betroffene sind mit einem
ganz lieben Menschen, liegt mir das Thema sehr
am Herzen. Wir merken die Barrieren täglich mit
unserem Sepp. Das fängt beim ersten Blick an,
da wird er meistens schon in eine Schublade gesteckt.
Mein Anliegen ist, dass schon Kinder lernen,
dass das normal ist und man lernt, mit allen
Menschen auf Augenhöhe zu sprechen und
sie entsprechend zu behandeln.
Christiane Meissnitzer, Musikerin