ÖSTERREICH 13
Personen betreten täglich durch die weit offen stehenden
Türen das kühle Kirchengebäude.
MITTAGSSCHLAF IN DER KIRCHE
Eine junge Frau zündet eine Kerze an, ein älterer Herr
hat die Büchlein mit biblischen Losungen in verschiede-nen
Sprachen entdeckt und blättert darin. Zwei Personen
stützen ihren Kopf auf die Kirchenbank und atmen ruhig
ein und aus. Manche werfen nur einen kurzen Blick ins
Innere der Kirche, machen ein Foto und ziehen weiter.
Einige sind überrascht, hier einen ruhigen Ort zu finden:
denn im chinesischen Hallstatt ist die Kirche ein Restau-rant.
Viele verbringen nur ein paar Augenblicke in der Kirche.
Der Zeitdruck, den viele Touristen aus Asien bei ihren
organisierten Europa-Reisen haben, wird hier spürbar.
Nur zwei Stunden sind für den Hallstatt-Besuch vorge-sehen,
inklusive Mittagessen.
„ Foto: Ines Schaberger
MIT EINEM EINTRAG IM GÄSTEBUCH
NEHMEN DIE GÄSTE NICHT NUR,
SONDERN LASSEN AUCH EINE SPUR
VON SICH SELBST DA.
DANKFRIED KIRSCH
Pfarrer
GEMEINDEMITGLIEDER UNTER SICH
Einige verwinkelte Gassen weiter haben sich die Bewoh-ner
Hallstatts im schattigen Pfarrgarten versammelt.
Bei Ribiselkuchen, Apfelstrudel und Schokotorte, einem
Spritzer und Stubenmusik genießen sie den Sommertag.
Zwar werden Gäste freundlich begrüßt, auch auf
Englisch, doch ist das Pfarrgartenfest nicht extra in
anderen Sprachen beworben worden. Veranstaltungen
nur für die Gemeindemitglieder seien sehr wichtig,
betont Pfarrer Dankfried Kirsch. Mit seinem bunten
Hemd, das ihm seine Tochter aus Ghana mitgebracht hat,
sticht er aus der Menge an Dirndl und Lederhosen hervor.
Stolz erzählt er, wie die kleine Gemeinde die Gäste aus
den anderen Ländern beispielsweise in den Gottesdiensten
willkommen heißt und wie die Hallstätter die verschiede-nen
Kulturen ins Gemeindeleben integrieren können.
Dennoch sind die Touristenströme für die kleine Gemein-de
auch herausfordernd, etwa das Kommen und Gehen
bei Gottesdiensten. „Aus diesem Grund versammeln wir
uns in einem kleinen Stuhlkreis vorne im Kirchengebäude
und halten nur die Seitentür geöffnet. Wir feiern auch
Gottesdienste im Pfarrgarten, damit man auch unter sich
sein kann. Die Gemeindemitglieder dürfen nicht das
Gefühl haben, dass sie alles hergeben müssen, wir
müssen unsere eigene Identität bewahren“, sagt er.
HOCHZEIT IN HALLSTATT
Kirsch ist seit fünf Jahren Pfarrer von Hallstatt-Ober-traun
und setzt sich dafür ein, dass mit Vorurteilen über
die Gäste aus Asien aufgeräumt wird. „Der Irrglaube,
Das beliebteste Fotomotiv: Der schmale Turm der evangelischen Kirche.
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