14 ÖSTERREICH
Während die Bibelverbreitung in China Einschränkungen unterliegt,
können Chinesinnen und Chinesen in Hallstatt ohne Sorge in den
Losungen blättern. Foto: Ines Schaberger
dass Chinesen Buddhisten sind, war bei uns sehr ver-breitet,
bis ich einen Zeitungsartikel darüber geschrieben
habe, dass es fast so viele Christen wie Buddhisten in
China gibt“, erzählt er. Ihm ist es auch wichtig, zu beto-nen,
dass es nicht nur Gäste aus China, sondern aus dem
ganzen asiatischen Raum sind, die ihren Weg nach Hall-statt
finden. Kommen Christen zum Gottesdienst, neh-men
sie auch am Abendmahl teil. Er liest die biblischen
Texte nochmals auf Englisch vor und versucht, sie durch
kleine Gesten willkommen zu heißen. Dankfried Kirsch
traut außerdem Paare, die eine Trauungsurkunde vor-
weisen können. Ansonsten segnet er das Paar und
wünscht ihnen für die bevorstehende Hochzeit alles
Gute. „Die Braut erscheint dann in weiß und ein Fotograf
ist auch dabei“, schmunzelt er.
ANGST VOR BESPITZELUNG
Doch die Angst vor Bespitzelung hält viele Chinesen
davon ab, einen Gottesdienst zu besuchen. „Kirchen-
führung“ klingt neutraler, erklärt Urlauberseelsorger
Peter Will. Zwei Drittel derer, die die Hallstätter Pfarr-kirche
betreten, seien seiner Umfrage zufolge auf der
Suche: die eine Hälfte nach Informationen über das
Kirchengebäude, die andere nach spirituellen Impulsen.
Deshalb erarbeitet er bis kommenden Sommer eine
digitalisierte Multi-Media-Kirchenführung, welche
automatisiert und in mehreren Sprachen verfügbar sein
soll. „Da gibt es dann beispielsweise um zehn Uhr eine
Führung auf Deutsch, um halb elf auf Mandarin und um
elf Uhr auf Koreanisch.“
In dieser unterhaltsamen Multimedia-Show erwachen die
Statuen des Petrus und Paulus zum Leben, begrüßen die
Kirchenbesucher und erklären die wichtigsten Elemen-te
des christlichen Glaubens anhand von Kreuz, Bibel,
Orgel, Taufbecken, Abendmahlsgeschirr und anderen
Gegenständen, die sich in der Kirche befinden. „Schon
früher hat man anhand von Bildern in der Kirche den
Glauben erklärt, weil die Menschen nicht lesen konnten.
Heute können die meisten zwar lesen, aber haben keine
Zeit mehr dafür“, erklärt er.
„DIE ERSTEN BIBELN WAREN IM NU WEG“
Für viele Chinesen ist die evangelische Kirche in Hall-statt
der erste Kontakt mit dem Christentum. Dass
hier erstmals Neue Testamente aufgelegt wurden, ist
Frieda Schmaranzer zu verdanken. Sie habe ein Buch
über die Engländerin Gladys Aylward gelesen, erzählt
sie im Gespräch. Gladys Aylward habe große Anstren-gungen
unternommen, um als Missionarin nach China
gehen zu können. „Da dachte ich: Wir haben tausende
Chinesen jeden Tag vor der Tür, und nutzen es nicht,
ihnen die Gute Nachricht mitzugeben“, erklärt Frieda
Schmaranzer, warum sie gemeinsam mit dem Bibel-kreis
Goisern-Obersee-Untersee 50 Neue Testamente
auf Chinesisch bei der Bibelgesellschaft bestellte. Diese
lagen zur freien Entnahme in der Kirche auf. „Im Nu sind
sie weg gewesen!“, freut sich Frau Schmaranzer.
Auch die Büchlein mit dem Vater-Unser in 40 verschie-denen
Sprachen von der Bibelgesellschaft erfreuten sich
großer Beliebtheit – und das nicht nur bei den Gästen
aus China.
EIN SCHATZ ZUM MITNEHMEN
Der Bedarf an biblischen Texten zum Mitnehmen wäre
groß, erklärt Pfarrer Dankfried Kirsch. „Eine gedruckte
Bibel ist für viele ein Schatz, den man einstecken kann –
ganz anders als nur am Smartphone“, sagt er.
Mit der untergehenden Sonne wird es ruhiger in Hall-statt.
Die Restaurants und Geschäfte leeren sich. Auch
rund um die Kirche wird es stiller. Die wenigsten bleiben
über Nacht in diesem Paradies, das wie Disneyland an-mutet.
Es geht weiter: nach Salzburg oder Wien. Doch
die Bibeltexte in der Tasche kommen mit.
Ines Schaberger
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Die Österreichische Bibelgesellschaft
plant für 2020, unter anderem Broschü-ren
mit ausgewählten Bibelworten und
Neue Testamente, vor allem in chinesi-scher
Sprache, bereitzustellen. Spenden
für dieses Projekt sind herzlich will-kommen!