10 DIE BIBEL AUSGELEGT
WER ZU MIR
KOMMT…
JAHRESLOSUNG 2022
In Zeiten wie diesen erleben wir Zugänglichkeit als
durchaus kompliziert. Wir waren vor kurzem auf einer
Studienreise, die uns auch in das schweizerische Parla-ment
in Bern geführt hat. Dort gab es strenge Zutritts-kontrollen:
Pass, 3G-Nachweis, „Flughafen-Schleuse“,
ganz abgesehen davon, dass wir uns natürlich vorher
schriftlich anmelden mussten.
Zugänglichkeit wird erschwert, weil man Sicherheit
schaffen will. Hinein kommst du nur, wenn du untade-lig
bist: keine Akte, keinen Sicherheitsvermerk, keine
Krankheit.
In Bezug auf Christus erleben wir die Umkehrung: Er
sitzt nicht hinter der Abschirmungszone im sicheren Be-reich.
Er ist zugänglich. Er macht sich zugänglich, indem
er zu den Menschen geht, mit ihnen redet, sich anspre-chen
lässt, sich bitten und von ihrer Not berühren, ja
infizieren lässt.
Er ist da, aber er fällt nicht mit der Tür ins Haus. Den
Schritt hin zu ihm tun die Menschen in den Evangelien
nicht einfach so, weil es interessant ist, mit ihm zu reden.
Die Darstellung „Jesus und die Kinder" aus dem Evangeliar Ottos III. hat
in der mittelalterlichen Kunst Seltenheitswert. Die Kinder sind zwar, wie
in der Zeit üblich, als kleine Erwachsene abgebildet, aber spannend ist
der Bildaufbau: Jesus breitet segnend und schützend seine Hände um
die ganze Gruppe der Kinder, die zu ihm aufsehen. Die Jünger hingegen
tauschen skeptische Blicke untereinander aus. Foto: Gerold Lehner
Es ist eine Not, die sie treibt, und die sie ihre Hoffnung
auf ihn setzen lässt. Es gibt ein Bedürfnis, in Kontakt zu
kommen mit ihm, wie wir es bei Zachäus (Lk 19,1ff) und
Nikodemus (Joh 3,1ff) sehen. Beide hätten es wahr-scheinlich
nicht so einfach benennen können, warum sie
von ihm angezogen waren. Aber in der Begegnung mit
ihm haben sie das gefunden, von dem sie nicht gewusst
hatten, dass sie es suchten.
UND HEUTE?
Wie wird das Christentum heute in unserem Land be-trachtet?
Wie nimmt man es wahr? Vielfach gibt es An-erkennung
für die soziale und karitative Arbeit: Diakonie
und Caritas genießen hohes Ansehen. Solange sich die
Kirchen um bedürftige Menschen kümmern, wird auch
ihnen Anerkennung zuteil.
Aber die Sache mit den Glaubensinhalten ist demgegen-über
etwas, was in den Hintergrund tritt. Und das betrifft
auch den Kern des Christentums, nämlich die Person des
Jesus von Nazareth, den wir den Christus nennen.
Jesus Christus spricht:
Wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.
Joh 6,37 (E)