DIE BIBEL AUSGELEGT 11
„
Aber warum wird es manchmal peinlich still, wenn es um
den Mann aus Nazareth geht? Ist er nicht die sympa-thischste
Figur der Weltgeschichte? Hat er nicht gesagt,
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen
seid“ (Mt 11,28)?
JESUS ZIEHT AN UND STÖSST AB
Tatsächlich geht von Jesus eine starke anziehende, aber
auch eine abstoßende Kraft aus. Das war damals ganz
deutlich wahrnehmbar. Die Jahreslosung stammt aus ei-nem
der ganz kontroversen Kapitel des Johannesevange-liums.
So, wie sie dasteht, klingt sie einfach nur nett und
schön. Aber wer sich die Mühe macht, das entsprechende
Kapitel zu lesen, der wird merken, dass er mitten in eine
harte Auseinandersetzung geraten ist. Denn der Mensch
Jesus erhebt dort einen Anspruch, der höchst irritierend
war und es noch ist. Wie kann ein Mensch sagen, „Ich bin
das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht
hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr
dürsten“ (Joh 6,35)?
Eine solche Art der Selbsterhöhung ist eine arrogante
Selbstüberschätzung, eine Provokation, die Ablehnung
und wütende Proteste nach sich zieht - selbst unter
seinen Anhängern.
HEUTE WIE DAMALS
Wenn wir heute von Jesus reden, dann tun wir das
manchmal auf eine Art und Weise, dass wir das Irritie-rende
ausblenden, den enormen und himmelschreienden
Anspruch Jesu zurechtstutzen, damit er wieder mensch-liches
Maß gewinnt.
Aber es ist nicht der Ruf des Menschen Jesus von Na-zareth,
der uns heute erreicht. Es ist der Ruf des Aufer-standenen,
des Lebendigen, des Gottessohnes. Der Ruf
dessen, der von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit
und das Leben.“ (Joh 14,6)
Kommen wir zu ihm, können wir erfahren, dass Schuld
nicht mehr niederdrückt, dass ein Neuanfang möglich
ist, dass seine Barmherzigkeit so groß ist, dass sie alles
umfängt.
Kommen wir zu ihm, erfahren wir eine Treue, die be-dingungslos
und abgründig ist und gleichzeitig fordernd.
Denn Jesus geht es nicht um die Verfestigung des gegen-wärtigen
Zustandes, sondern
um das Reich Gottes.
Superintendent
Dr. Gerold Lehner ist
Präsident der Öster-reichischen
Bibelgesell-schaft.
Foto: privat
KOMMT HER ZU MIR,
ALLE, DIE IHR MÜHSELIG
UND BELADEN SEID.
MATTHÄUS 11,28
Die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen
(ÖAB) mit Sitz in Berlin gibt für jedes Jahr eine Jahres-losung
heraus. Diese wird ebenso wie die Monats-sprüche
und der Bibelleseplan auf der Jahrestagung
von Delegierten der Mitgliedsorganisationen, zu denen
auch die drei deutschsprachigen Bibelgesellschaften
gehören, festgelegt.
Jahreslosung 2023:
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“
(1 Mos/Gen 16,13; L)
Jahreslosung 2024:
„Alles, was ihr tut, geschehe in
Liebe.“ (1 Kor 16,14; E)
Mehr Informationen: www.oeab.de