Brust oder Keule? Oder
gar ein Bratwürstel?
Auf d ie Frage , was z u Wei hnachte n auf
de n Ti sch komm t, gib t ’ s in Ös terrei ch viele
Antworten.
Schweinsbraten, Rindsbraten, gebratene Gans?
Das gemeinsame Essen zu Weihnachten ist eine
Kindheitserinnerung wie der Duft von Spritzkerzen,
das Glitzern der Christbaumkugeln und die Familieninterpretation
von „Stille Nacht“, inklusive der schiefen
Töne von Papa. Eine Tradition, die die gesamte
Familie an einen Tisch bringt. Star der Stunde: Das
Essen. Aber was wird am Heiligen Abend serviert?
Bei vielen Österreicherinnen und Österreichern war
und ist das ein Braten, umringt von allerlei köstlichen
Beilagen – wem fällt da nicht sofort der ganz spezielle
Kartoffelsalat von Oma ein (den niemand so
anrichten kann wie sie!) oder die Serviettenknödel,
von denen man nicht genug bekommen konnte?
Der Kampf um den Karpfen
Wer das Weihnachtsessen gern zum denkwürdigen
Drama stilisiert, kommt am Karpfen nicht vorbei. Unter
Garantie wird dieser Fisch, den einst die alten
Römer aus Asien nach Europa brachten, auch in
der zähesten Familienrunde über Stunden für Gesprächsstoff
sorgen. Eröffnen sollte man den Abend
unbedingt mit einer Grundsatzdiskussion über die
angemessene Zubereitung. Und bei einem sind sich
alle einig: die lästigen Gräten! Kein anderer Fisch
hat mehr, und jeder am Tisch wird betonen, dass er
jemanden kennt, der jemanden kennt, der an einer
erstickt ist. Solche Gruselgeschichten versöhnen
dann auch die Kinder wieder, die sich stets weigern
mitzuessen, weil sie den tränenreichen Kampf um
das Leben des Fisches („Neeeeiiiin! Das ist doch unser
Cyprinus!“) am Nachmittag vor der Badewanne
verloren haben. Der Frischwasserausflug ist nötig,
um das gewöhnungsbedürftige Schlammaroma
aus dem Karpfen zu kriegen, was leider nicht immer
gelingt. Egal: Ob einem vom Fisch schlecht wird
oder davon, dass Opa wieder unbedingt die Augen
mitessen musste („Ehrlich, die schmecken am besten!“),
ist am Ende ganz unerheblich.
Keine Frage, bei uns gibt’s Würschtl!
In anderen Ländern geben sich die Menschen an
Weihnachten große Mühe, etwas Festliches aufzutischen.
In Frankreich: Austern, Truthahn mit Kastanienfüllung,
Baumkuchen. In Spanien: Krustentiere,
Mandelsuppe, Truthahn. In Italien: Entenleberpastete,
Pasta, Braten, Panettone. Und in Österreich? Das
am weitesten verbreitete Essen an Heiligabend ist
allen Umfragen zufolge: Würstchen und Kartoffelsalat.
Objektiv gesehen ist das kein festliches Gericht.
Am Ende geht es allen gleich
Ob Braten, Karpfen, Würschtl oder etwas ganz Anderes:
Wenn dann nach der Bescherung alle mit
vollen Bäuchen auf der Couch liegen, sind sich von
Opa bis Tante alle einig, dass man wieder viel zu viel
gegessen hat. Zumindest bis zum Stefanitag.